Fri Sep 27 12:17:00 CEST 2019  |  Reportage In Berliner Pflegeheim: "Team Wallraff“: OLG Dresden erachtet verdeckte Filmaufnahmen als teilweise zulässig

Das Oberlandesgericht Dresden hat in einem Urteil von Donnerstag ein Ausgangsurteil des Landgerichts Leipzig teilweise abgeändert und damit die Rechtmäßigkeit der Recherchemethoden von „Team Wallraff“ im Grundsatz bestätigt (Az. 4 U 1401/19).

Nach Ausstrahlung der Investigativreportage "Hinter geschlossenen Türen – Undercover in Psychiatrien und Jugendhilfe" am 18. März 2019 waren zwei Krankenschwestern der Vivantes-Klinik in Berlin-Spandau gegen RTL im Wege der einstweiligen Verfügung vorgegangen. Sie seien mit versteckter Kamera gefilmt worden und trotz Verpixelung erkennbar gewesen. Damit seien ihre Persönlichkeitsrechte verletzt worden. Das Landgericht Leipzig hatte im Mai 2019 zugunsten der beiden Mitarbeiterinnen entschieden und eine einstweilige Verfügung erlassen. Dagegen hatte RTL Berufung eingelegt. Der 4. Zivilsenat des OLG Dresden entschied nun jedoch, dass die heimlichen Aufnahmen jedenfalls teilweise zulässig seien.

Eine der beiden Mitarbeiterinnen hatte beanstandet, sie sei trotz Verpixelung erkennbar gewesen, als sie einem Patienten mit Epilepsie heimlich Medikamente im Essen verabreicht hatte. Dazu entschied das OLG Dresden nun, dass an den Aufnahmen „ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse“ bestand. Es habe sich um „einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage“ gehandelt, so dass bei der gebotenen Abwägung der Interessen das öffentliche Informationsinteresse überwiege. Dabei hebt das Gericht auch hervor, dass sich dieses öffentliche Informationsinteresse „nicht allein auf die Vermittlung von Zahlen beschränkt, sondern auch die Verdeutlichung durch Bild- und Tonaufnahmen umfasst, die über eine bloße Illustration hinaus einem Bericht erst Authentizität verleihen, weil sie dem Zuschauer einen Missstand plastisch vor Augen führen.“ RTL sieht sich damit in seiner Rechtsauffassung bestätigt, wonach verdeckte Aufnahmen als Mittel des investigativen Journalismus unverzichtbar sind, um erhebliche Missstände von großem gesellschaftlichem Interesse aufzudecken.

Eine weitere Mitarbeiterin, die im Beitrag gleichfalls verpixelt worden war, hatte beklagt, der Beitrag suggeriere, dass sie in einen Vorfall involviert gewesen sei, obwohl sie unstreitig in der dargestellten Situation nicht anwesend gewesen sei. Bei diesem Vorfall ging es darum, dass eine Urinlache in einem Aufenthaltsraum über einen Zeitraum von mindestens drei Stunden nicht entfernt wurde. RTL berief sich darauf, dass die Mitarbeiterin sehr stark verpixelt worden und daher nicht erkennbar gewesen sei. Hier kam das OLG Dresden im Rahmen des Verfahrens über den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu dem Ergebnis, dass die Mitarbeiterin glaubhaft gemacht habe, dass sie trotz der Verpixelung erkannt worden sei. Zugleich wies das Gericht aber auch darauf hin, dass das Landgericht im sich anschließenden sog. Hauptsacheverfahren noch zu klären haben wird, ob hiervon auch mit der dort dann erforderlichen Gewissheit ausgegangen werden könne. Dieses Hauptsacheverfahren ist derzeit beim Landgericht Leipzig weiter anhängig und RTL wird dort weiterhin für seine Auffassung streiten, dass eine Erkennbarkeit nicht vorgelegen habe.