INTERVIEW SIMON BÖER
Herr Böer, sind Sie früher gerne zur Schule gegangen?
Simon Böer: „Ich hatte das Glück einer sehr guten Klassengemeinschaft. Außerdem hatte ich retrospektiv gesehen, mit Ausnahmen, wirklich tolle Lehrer, die ihren Beruf geliebt haben. Ja, ich bin meist gern zur Schule gegangen.“
Arzt, Pfarrer und jetzt Lehrer. Scheint, als würden Sie gerne mal in verschiedene Berufsgruppen reinschauen?
„Das bringt der Beruf so mit sich. Wobei der Lehrer angenehmer für‘s eigene Gemüt ist als der kokainsüchtige Kommissar bei der Drogenfahndung, den ich zuletzt in ‚Professor T.‘ spielen durfte. Vielleicht bin ich sogar Schauspieler geworden, weil ich mich für einen einzigen, grundsoliden Beruf nicht entscheiden konnte und so jetzt überall mal reinschauen darf.“
Was haben Ihre Kinder gesagt, als sie hörten, Papa spielt jetzt einen Lehrer?
„Die kamen gar nicht dazu was zu sagen, weil ich sofort rief: Hefte raus, Klassenarbeit!! [lacht] Im Ernst, meine Kinder kennen das Spiel ja und ob ich jetzt einen Mörder oder einen Lehrer spiele, ist ihnen eher zweitrangig. Hellhörig wurden sie tatsächlich, als ihnen klar wurde, dass ich nun nicht irgendein Lehrer, sondern ‚Der Lehrer‘ bin. Die Serie hatten sie natürlich in der Vergangenheit verfolgt.“
„Der Lehrer“ ist in der jungen Zielgruppe seit Jahren die erfolgreichste deutsche Serie. Wird man da als neuer Hauptdarsteller auch ein bisschen ehrfürchtig? Was glauben Sie, macht den großen, langandauernden Erfolg der Serie aus?
„Ehrfurcht ist vielleicht das falsche Wort. Da erstarrt man zu schnell und das wäre in meiner Position gerade suboptimal. Aber ich habe Respekt vor der Gesamtleistung des Ensembles, des Teams und natürlich vor Hendriks Arbeit in der Vergangenheit. Er hat diese Serie in die 9. Staffel getragen. Das ist großartig! Der Erfolg dieser Serie, gerade bei der jungen Zielgruppe, liegt ganz klar an der heutigen Behandlung von teils schwierigen, schülernahen und damit lebensrelevanten Inhalten. Und daran, dass im Leben, wie auch in dieser Serie, Drama und Komödie eng beieinander liegen.“
Corona stellt auch das Bildungssystem auf eine harte Probe. Glauben Sie, die Pandemie ist auf lange Sicht eher Fluch oder Segen für unsere Kinder?
„Ich sage es nicht gerne, weil ich eigentlich ein Freund davon bin, aus jeder Situation das Beste zu machen, aber diese Pandemie ist gerade für unsere Kinder und Jugendliche eine große psychische Belastung. Ich würde also eher Richtung Fluch tendieren, schon alleine wegen der Vereinzelung ins Homeschooling und dem Verzicht auf das soziale Miteinander. Für die digitale Entwicklung unseres Bildungssystems könnte sie sich letztlich als Segen erweisen, denn wir merken nun schmerzlich, dass da dringend was passieren muss. Schule muss in diesen Belangen endlich nach vorne denken und sich in anderen auf die Wurzeln besinnen. Es kann nicht sein, dass wir in der Lage sind zum Mond zu fliegen, unseren Kindern aber in der Schule, mit Ausnahmen, nicht beigebracht wird, wie sie die großen Herausforderungen des Lebens meistern, wie sie mit Wut, Angst und Zweifeln umgehen können. In diesen Zeiten reicht es nicht mehr nur formales Wissen zu vermitteln. Es geht um unsere Zukunft!“
Sie spielen einen Physiklehrer David Ritter, der neu an die Schule wechselt. Können Sie sich noch aus ihrer Schulzeit an „Elektromagnetische Schwingungen“ oder „Neuronale Signalleitungen“ erinnern?
„Und dann unterrichtet der Ritter auch noch Mathe und ich will ehrlich sein: das waren zwar wichtige, aber eben nicht gerade meine Lieblingsfächer. Ich habe viel verdrängt und darf jetzt als Schauspieler einiges an Wissen wiederentdecken bzw. nachholen.“
Ihr Sohn Milon spielt in der Serie ihren Seriensohn Julius. Für den 13-Jährigen ist das die erste Schauspielrolle. Waren Sie direkt einverstanden, als er den Wunsch äußerte am Casting teilzunehmen?
„Ich war skeptisch. Ich wusste nicht ob wir vor der Kamera funktionieren würden, wenn er tatsächlich die Rolle ergattern würde. Außerdem kenne ich auch die Schattenseiten des Berufes und davor will man sein Kind natürlich schützen. Auf der anderen Seite war er so begeistert von dem Gedanken an sein erstes Casting - dem konnte ich mich einfach nicht in den Weg stellen. Im Casting hat er mich dann mehr als beeindruckt. Er hat eine große Spielfreude, ist locker und durchlässig. Mittlerweile bin ich mehr als glücklich diese Erfahrung mit Milon gemeinsam machen zu dürfen. Es macht großen Spaß! Leider spielt er mich an die Wand.“
Ein besonderer Erfolgsfaktor der Serie ist die Behandlung von gesellschaftsrelevanten Themen. Wie wichtig finden Sie diese Behandlung in der heutigen TV-Landschaft und warum ist „Der Lehrer“ da Vorbild?
„Weil er konzeptionell nie mit erhobenem Zeigefinger dastand. Da wurde und wird nie von oben herab gewertet und impliziert, dieses oder jenes müsse so oder so sein. Es werden sozialrelevante Themen zur Debatte gestellt und unterschiedliche Sichtweisen gezeigt. Das gefällt mir. Natürlich bringt der Lehrer am Ende meist alles auf wundersame Weise wieder unter einem Hut – aber es ist eine Reise, auf die der Zuschauer eingeladen wird.“
Hendrik Duryn ist von seinem Rollenprofil her der coole, unangepasste Bauchmensch. Sie verkörpern mehr den verkopften Analysten, der seine Emotionen ehe reguliert als ihnen freien Lauf zu geben. Werden die Schüler David Ritter für seine Art lieben?
„Das werden wir sehen. Erstmal hat er mit ordentlich Gegenwind zu rechnen. Auch weil alle verständlicherweise den Vollmer vermissen. Da geht es den Schülern so wie jedem langjährigen Fan der Serie. Ob ich mit diesem Neubeginn die Herzen der Zuschauer und der David die Gunst der Schüler gewinnen wird, bleibt spannend.“
Jetzt die klassische Frage: Ist Simon Böer mehr der Bauch- oder Kopfmensch und was glauben Sie, würden Ihre Kinder sagen, wenn man sie fragt: Ist Dein Vater cool?
„Ich würde mich eher als Bauchmensch bezeichnen. Zum Glück habe ich früh vermittelt bekommen, dass es gesund ist keinerlei Gefühle zu unterdrücken. Wobei mir auch gelegentlich Kopf und Bauch im Widerstreit stehen – also wage ich auch keine Prognosen wie cool mich meine Kinder finden. Bleibt die Frage: wäre es überhaupt cool, wenn mich meine Kinder cool fänden? [lacht]“