"NIGELLA – Kochen, essen, leben" ab Mo., 26. Juli, 20:15 Uhr bei RTL Living: die britische Starköchin im Interview

Nigella: "Essen ist ein wichtiger Bestandteil unserer Existenz"

Nigella Lawson genießt alle Arten von Essen gleichermaßen und hat auf Social Media 2,5 Millionen Follower. Im Interview spricht sie u.a. über das Geheimnis ihrer Küche, Nachhaltigkeit beim Essen und den ungezügelten Genuss ohne ein Fünkchen Schuldgefühl.

1. Auf Social Media haben Sie 2,5 Millionen Follower. Was ist das Geheimnis Ihrer Küche, das so viele Menschen inspiriert?

"Ich bin mir nicht sicher, ob ich für den Ruhm allein verantwortlich bin. Das Wunderbare am Essen ist, dass es - trotz unserer unterschiedlichen Kulturen, Traditionen, persönlichen Geschichten und Gaumenfreuden - wirklich eine universelle Sprache ist. Es spielt keine Rolle, von wo auf der Welt man herkommt oder mit welchem Essen man aufgewachsen ist, Essen ist ein wichtiger Bestandteil unserer Existenz. Es ist das Elixier, das uns am Leben hält, schließlich essen wir mehrmals am Tag - wenn wir Glück haben - und so entwickelt sich ein ständiger Appetit darauf, neue Ideen und Rezepte zu entdecken. Essen ist also mehr als ein reiner Energielieferant: Essen vermittelt Emotionen, Erinnerungen, Verbindungen und Erfahrungen; es ist ein so tiefgreifendes Kommunikationsmittel. Wenn ich hier von meiner Küche spreche meine ich Hausmannskost. Und weil ich eher zu Hause koche als ein Chefköchin bin und auch jemand, der sich sehr auf die emotionalen Hintergründe eines Rezepts sowie auf dessen praktische Anwendung konzentriert, habe ich das Gefühl, dass die Menschen eine sehr persönliche Verbindung zu mir und meinem Essen aufbauen. Es bereitet mir große Freude, Rezepte aus meiner Küche zu teilen, das Essen, das ich liebe, und es bereitet mir nicht weniger Freude - in der Tat bereitet es mir sehr viel Freude - zu sehen, wie Leute meine Rezepte ausprobieren und posten. Es ist ein Gespräch, kein Monolog.

Twitter kann ein sehr aggressiver Ort sein, voller Menschen, die sich gegenseitig runtermachen. Ich empfinde meinen kleinen Account auf Twitter als freundlichen, ruhigen, unterstützenden und intimen Rückzugsort. Und nach diesem Corona-Jahr ist es genau das, was die Leute brauchen. Aber um mit einer etwas praktischeren Anmerkung abzuschließen, möchte ich hinzufügen, dass ich meine Rezepte immer wieder sehr, sehr ausführlich teste, so dass ich weiß, dass sie funktionieren. Und meine Follower, die die Rezepte nachkochen, wissen das auch, so dass es eine Vertrauensbeziehung zwischen mir und denjenigen entsteht, die mir auf den sozialen Medien folgen." 

2. In Ihrer sechsteiligen Kochreihe "Nigella – Kochen, essen, leben" (ab 27. Juli, jeden Montag um 20.15 Uhr bei RTL Living) servieren Sie eine große Bandbreite an Gerichten. Wenn Sie ein Gericht aus der Show auswählen könnten, welches wäre Ihr Favorit?

"Ich finde es ziemlich schwierig nur ein Rezept auszuwählen, aber wenn ich müsste, würde ich mich für das Hühnchen im Topf mit Zitrone und Orzo entscheiden. In erster Linie bedeutet mir das Rezept sehr viel, da ich es sehr häufig für meine Kinder koche, wann immer sie nach Hause kommen. Und viel mehr ist es auch eine weiterentwickelte Version eines Gerichts meiner Mutter, die leider mit 48 Jahren verstarb und das Gericht immer wieder kochte, 10 Jahre bevor ich eigene Kinder hatte. Das Gericht verbindet mich sehr mit ihr und gibt auch meinen Kindern die Möglichkeit, einen Geschmack von den Kochkünsten meiner Mutter zu erfahren. Ich denke, es ist vielleicht auch das am häufigsten gekochte Rezept aus der Sendung. In gewisser Weise steht es exemplarisch für das Essen in meinem neuen Buch und meiner Fernsehserie: einfach zuzubereiten, wohltuend und doch voller Geschmack, der Inbegriff moderner Hausmannskost." 

3. Sie veröffentlichst am 24. Juni ein neues Kochbuch im DK Verlag - "Kochen, essen, leben". Worauf können sich die Leser freuen? Was ist das Besondere an dem Buch?

"Zunächst möchte ich sagen, dass es mehr ein Lesebuch ist als ein reines Kochbuch. Es war mir schon immer wichtig, dass die Bücher, die ich schreibe, sowohl Seite für Seite als auch am Esstisch Freude bereiten. Aber mit „Kochen, essen, leben“ hatte ich die vollständige Freiheit, meine Begeisterung für Essen zu zeigen, meine Ideen über das Kochen zu entwickeln und offenherzig und voller Leidenschaft über das Essen zu sprechen, das ich liebe, und über die Rezepte, die das auf so organische und intime Weise illustrieren. All das wird perfekt durch die flüssige Struktur des Buches wiedergespiegelt: Das Buch ist nicht in Kapitel wie beispielsweise Vorspeisen, Hauptgerichte, Desserts usw. unterteilt, sondern um meine Lieblingszutaten und Themen herum angeordnet. Aber solche Begriffe sind sehr formell: Es ist mir wichtig, dass das Buch mit der Stimme einer freundlichen Person spricht, die während dem Kochen mit dem Leser plaudert und keine Anweisungen brüllt. Aber es ist auch ein sehr praktisches Buch. Ich war schon immer eine obsessive Testerin von Rezepten, aber für dieses Buch war ich noch strenger und - umgekehrt - aufgeschlossener als sonst. Ich wollte die Flexibilität des Kochens zeigen, zeigen, wie man ganz leicht Anpassungen vornehmen kann. Das Buch beinhaltet 49 vegane Rezepte (plus weitere 18 Rezepte mit Hinweisen, wie man sie vegan machen kann; Backrezepte haben u.a. Anleitungen, wie man sie glutenfrei umgestalten kann; und ich habe viele Ideen und Rezepte für Alleinlebende aber auch Ideen für ganze Menüs gegeben. Und die Fotos sind natürlich absolut authentisch und wunderschön!" 

4. Sie haben einen Abschluss in mittelalterlichen und modernen Sprachen an der Universität Oxford? Wie sind Sie danach zum Kochen gekommen, oder war das Kochen schon immer Ihre Leidenschaft?

"Ich nehme an, dass Kochen schon immer meine Leidenschaft war, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es als Heranwachsende so gesehen habe: Es war einfach etwas, das ich tat, so natürlich wie das Atmen. Es ist auch so, dass ich während meines Studiums viel gekocht habe, sowohl aus praktischen und wirtschaftlichen Gründen, aber auch weil ich den Drang hatte, Menschen mit Essen zu verwöhnen. Ich nehme an, Kochbücher zu schreiben und Fernsehserien zu machen, ist nur eine weitere Erfüllung dieses Bedürfnisses in mir." 

5. Hatten Sie in Ihrer Kindheit bestimmte Vorbilder, die Sie zum Kochen inspiriert haben?

"Ja und nein! Ursprünglich wurde ich nicht zum Kochen inspiriert, ich wurde mehr oder weniger dazu gezwungen. Von klein auf war es selbstverständlich, dass meine verstorbene Schwester Thomasina und ich Gemüse zubereiteten, in den Pfannen rührten und generell alles taten, was meine Mutter von uns in der Küche verlangte. (Und mit jungen Jahren meine ich, dass wir 6 und 7 Jahre alt gewesen sein müssten.) In diesem Sinne war meine Mutter also immer der bestimmende Einfluss. Und obwohl man sagen muss, dass sie nicht die geduldigste Mentorin war, bin ich sehr dankbar dafür, dass ich das Kochen nicht gelernt habe, indem ich unterrichtet wurde, sondern indem ich in alles direkt eingetaucht bin. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie jemals ein Rezept befolgt hat, also musste ich die Sprache der Rezepte und das Abwiegen und Messen eigenständig lernen. Vielleicht bin ich deshalb eine so eifrige Rezepttesterin und feile an jedem Rezept, um es zugänglich, verständlich und zuverlässig zu machen, ohne dabei jemals die freudige Spontaneität aus den Augen zu verlieren, die im Herzen des Kochens liegt." 

6. Sie haben bereits viele Auszeichnungen erhalten, darunter den "World Food Media Award" und den "British Book Award". Können Sie eine Auszeichnung nennen, auf die Sie besonders stolz sind?

"Ohne undankbar klingen zu wollen, könnte mir keine Auszeichnung jemals so viel bedeuten, wie ein Post oder Nachrichten von Menschen, die meine Rezepte nachkochen. Wenn ich sehe, dass das Essen, das ein so wichtiger Teil meines und des Lebens meiner Familie ist, auch ein wesentlicher Teil des Lebens anderer Menschen und Familien wird, berührt das mein Herz mehr als alles andere." 

7. Sie sind in einer Familie aufgewachsen, in der beide Teile der Familie jüdischer Herkunft sind und haben bereits ein Buch mit dem Titel "Nigellissima: Instant Italian Inspiration, Chatto and Windus" veröffentlicht. Gibt es eine kulinarische Richtung, die Sie beim Kochen bevorzugen?

"Es stimmt, dass ich eine leidenschaftliche Italienliebhaberin bin und in meiner Jugend in Italien gelebt habe, was sich natürlich auf meine Art zu kochen ausgewirkt hat. Aber ich lasse mich nicht gerne einschränken, und was ich am Kochen liebe, ist, dass es eine „Elsterdisziplin“ ist. Damit meine ich, dass ich es sehr schätze, etwas über Kulturen, Küchen, Aromen und Zutaten zu lernen - sei es durch Reisen oder Lesen - und das Gelernte dann in meine tägliche Küche einfließen zu lassen." 

8. Die vegetarische und vegane Küche ist heute beliebter denn je. Ist ein vegetarischer oder veganer Lebensstil eine Option für Sie?

"Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich ausschließlich als Vegetarierin oder Veganerin bezeichnen würde, aber eine enorme Menge der Lebensmittel, die ich esse, könnte als beides klassifiziert werden. Wie ich bereits in meiner Antwort auf Frage 3 erwähnt habe, gibt es zum Beispiel eine beträchtliche Anzahl veganer Rezepte in „Kochen, essen, leben“, obwohl ich nie mit diesem Ziel angetreten bin. Es spiegelt einfach die Art und Weise wider, wie ich mich natürlich im Alltag ernähre. Außerdem stelle ich oft fest, wenn ich Leute zum Abendessen eingeladen habe, dass einer von ihnen vegan ist, und so mache ich das ganze Abendessen vegan, und das ist gut so. Vegane Kuchen zu entwickeln, ist für mich so etwas wie eine Leidenschaft geworden: Es ist eine wirklich anregende Herausforderung. Ich liebe es, ein veganes Rezept für ein Dessert oder einen Kuchen zu finden, in dem z.B. traditionell Eier und Butter enthalten sind, und eines zu machen, das ohne beides auskommt und trotzdem genauso köstlich ist wie die Ur-Version. Als kleines Beispiel lassen sich die Veganen Lebkuchen aus „Kochen, essen, leben“ nennen. Köstlich!" 

9. Auch nachhaltiges Verhalten spielt heutzutage eine große Rolle. Inwieweit lassen sich nachhaltiges Verhalten und Kochen miteinander verbinden?

"Ich denke, es ist wichtig, dass jeder versteht, dass kleine Schritte ebenso entscheidend (und wahrscheinlich nachhaltiger) sein können als dramatische Veränderungen. Zum Beispiel (wie ich in „Kochen, essen, leben“ vorschlage) eine Duschhaube statt Plastikfolie zu verwenden, um eine Schüssel mit Teig abzudecken, wenn er aufgeht. Es nützt nichts, den Leuten zu sagen, was sie nicht tun sollen, ohne ihnen einfache Alternativen vorzuschlagen. Ich vermeide auf jeden Fall Fleisch aus intensiver Aufzucht und nicht nachhaltig gefangenen Fisch, aber ich bin mir bewusst, dass ich mich in einer privilegierten Position befinde und das Glück habe, mir eine solche Haltung leisten zu können. Was ich aber glaube, ist, dass das Wesen des Kochs darin besteht, sparsam mit den Zutaten umzugehen (ich kann durchaus extravagant sein, aber ich bin nie verschwenderisch). Damit meine ich, dass man, wenn man gewohnheitsmäßig kocht, große Freude daran hat, jeden Rest von Lebensmitteln zu verwerten: Neben allem anderen ist das eine so herrlich inspirierende Art zu kochen."

Und ja: Ich habe ein Rezept für ein Curry in meinem neuen Buch, in dem Bananenschalen zusammen mit Blumenkohlblättern verwendet werden und Tipps, wie man das Wasser, in dem man Nudeln oder Kartoffeln gekocht hat, für die Herstellung von Brot verwenden kann. Aber es geht wirklich um mehr als das. Es geht darum, selbst die kleinste Untertasse mit Essensresten als Beginn einer neuen Mahlzeit zu sehen. Ich gebe in „Kochen, essen, leben“ viele Vorschläge, was man mit den Resten machen kann." 

10. Ob Kochbücher oder Kochshows - Sie haben in Ihrer Karriere schon viel erreicht. Was ist ein weiterer Traum, den Sie sich als Profikoch erfüllen möchten?

"Ich bin ganz sicher keine professionelle Köchin. Ich habe immer nur für meine Familie und Freunde gekocht. Und ich bin auch ganz entschieden keine Planerin. Ich war 38, als mein erstes Buch veröffentlicht wurde, und hatte bis dahin eine Karriere als (Non-Food-) Journalistin hinter mir, und wenn Sie mir gesagt hätten, dass ich Kochbücher schreiben würde, hätte ich Ihnen wohl (höflich) ins Gesicht gelacht! Wer weiß also, was als nächstes kommt? Nicht, dass ich schon bereit wäre, weiterzuziehen. Ich liebe, was ich tue, und bin so dankbar, einen Beruf zu haben, der mich so eng mit anderen verbindet und mir erlaubt, in der Küche herumwerkeln und, ehrlich gesagt, das zu tun, was ich tun würde, wenn es nicht mein Job wäre - nämlich ausgiebig und mit Freude kochen und essen!" 

11. Als Koch spielen Essen und Genuss eine große Rolle in Ihrem täglichen Leben. Welche Gefühle und Gedanken verbinden Sie mit den Worten "kulinarischer Genuss"?

"Ich bin mit dem Begriff nicht ganz glücklich, da er für mich impliziert, dass es irgendwie ein bisschen unanständig ist, was dem Begriff "Guilty Pleasure" ähnelt, den ich absolut verabscheue. In der Tat habe ich ein ganzes Kapitel in „Kochen, essen, leben“ diesem Begriff gewidmet, mit vielen Rezepten, die mir ungezügelten Genuss ohne ein Fünkchen Schuldgefühl bereiten! Und ehrlich gesagt, genieße ich alle Arten von Essen gleichermaßen: Ein knackiger Salat oder eine Schüssel Spinat mit Sardellen, Knoblauch und Chiliflocken bereitet mir genauso viel Freude wie ein Schokoladenkuchen." 

12. Wenn Sie wenig Zeit und ein kleines Budget haben, was kochen Sie dann? Haben Sie Tipps für den Durchschnittsverbraucher/Anfänger?

"Ganz allgemein habe ich oft das Gefühl, dass es beim Kochen zwei wesentliche Bestandteile gibt: Kosten und Zeit; und als allgemeines Prinzip gilt, dass Lebensmittel, die wenig kosten, mehr Zeit zum Kochen benötigen, und Lebensmittel, die viel kosten, sich für schnelleres Kochen eignen. Denken Sie an eine Bratkartoffel im Vergleich zu einem Stück Fisch oder einem Filetsteak. Zum Glück ist das aber keine unumstößliche Regel, und hier kommt die budgetfreundliche Welt der Pasta und Nudeln ins Spiel! Und Rezepte in diesem Bereich habe ich reichlich. Außerdem hasse ich Essenssnobismus und bin nicht der Meinung, dass gutes Essen ausgefallen sein muss. Ich bin ein großer Fan der Tiefkühlerbse, und eines meiner liebsten (und beliebtesten) Rezepte in „Kochen, essen, leben“ verwendet Fischstäbchen, allerdings auf eine Art und Weise, wie Sie sie vielleicht noch nie gegessen haben…"